by Wolfgang Gründinger
Published on: Dec 14, 2005
Topic:
Type: Opinions

von Sven Anemüller, veröffentlicht in der "taz", mit Svens Einverständnis


"Katrina", "Rita", "Stan", "Wilma", "Alpha" - noch nie hat eine
Hurrikan-Saison in der Karibik eine solche Vielzahl an Stürmen gebracht.
Gleich mehrere Rekorde sind gefallen: zum ersten Mal drei Stürme der
Hurrikan-Kategorie fünf, zum ersten Mal mehr als zwölf Hurrikane. Das
hat das Thema Klimaschutz auf die Titelseiten vieler Zeitungen gebracht.

Nun lässt sich bei einem Einzelereignis nie sagen, ob es Zufall oder
Konsequenz des vom Menschen verursachten Klimawandels ist. Doch gibt es
eine Vielzahl wissenschaftlicher Belege, dass menschliches Handeln - das
Anheizen der Atmosphäre durch die Verbrennung von Öl, Gas, Kohle und
andere Faktoren - es wesentlich wahrscheinlicher macht, dass solch enorm
starke Wetterextreme auftreten. Die tatsächliche Dimension der
Konsequenzen in den nächsten Jahrzehnten sind noch nicht abzusehen, aber
die zahlreicher werdenden warnenden Stimmen aus der Klimawissenschaft
lassen Schlechtes erahnen.

Der Hurrikan "Stan" hat am schlimmsten über Guatemala gewütet, einem der
ärmsten Länder der Erde. Es hatte sich vorher nicht einmal von dem
letzten zerstörerischen Hurrikan "Mitch" von vor sechs Jahren erholt.
Hier starben mehr als 2.000 Menschen, zahlreiche Dörfer wurden durch
Erdrutsche zerstört. Der Hurrikan "Katrina" hat zwar vor allem über die
reichste Nation der Erde - die USA - Zerstörung gebracht. Doch sowohl
"Stan" als auch "Katrina" zeigen: Es sind vor allem die Ärmsten der
Bevölkerung, die von den Stürmen betroffen sind. In vielen Fällen sind
sie gesellschaftlich marginalisiert. Geringes Einkommen, fehlender
Zugang zu Ressourcen, geringes Bildungsniveau: Das alles sind Faktoren,
die die Verwundbarkeit gegenüber Risiken des Klimawandels erhöhen. Die
oftmals auch räumliche Marginalisierung erschwert zudem die Hilfe im
Katastrophenfall, wie auch das Beispiel Pakistan zeigt.

Der Fokus der internationalen Entwicklungspolitik richtet sich derzeit
darauf, die so genannten Millennium Development Goals (MDGs) zu
erreichen. Die Armut bekämpfen, Ernährung und Trinkwasserversorgung der
Ärmsten sichern, Aids und Malaria eindämmen - auch ohne den Klimawandel
sind hier die Herausforderungen enorm und erfordern einen noch
umfangreicheren Einsatz als bisher. Schreitet der Klimawandel jedoch
ungebremst weiter voran, könnten Erfolge bei diesen Zielen wieder
zunichte gemacht werden.

Guatemala, wo der Schaden durch Hurrikane die Entwicklung des Landes um
Jahre zurückgeworfen hat, ist hier ein warnendes Beispiel. Auf all die
genannten Entwicklungsprobleme hat der Klimawandel jetzt schon negative
Auswirkungen, die sich in Zukunft weiter verschärfen werden. Eine weiter
deutlich ansteigende Temperatur könnte die Möglichkeit des Weizenanbaus
in vielen südasiatischen Ländern drastisch einschränken. Nach
Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO waren bereits im Jahr
2000 weltweit rund 154.000 Tote auf den Klimawandel zurückzuführen, dies
vor allem durch die Ausbreitung von Malaria, Denguefieber und
Durchfallerkrankungen.

Die Zeiten, als man noch hoffen konnte, den globalen Klimawandel
vollends abzuwenden, sind inzwischen vorbei. Zu lange wurde der
notwendige Klimaschutz verzögert. Das heißt keineswegs, dass die
Verringerung von Treibhausgasemissionen jetzt nichts mehr bringen würde:
im Gegenteil: Noch schneller muss auf klimafreundliche Energieträger
umgestellt werden, um großflächig gefährliche Auswirkungen zu vermeiden,
wie es die UN-Klimarahmenkonvention zum Ziel hat. Nach Meinung vieler
Wissenschaftler sollte dazu die globale Temperaturerhöhung auf unter
zwei Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts gegenüber 1860 begrenzt
werden - ein Ziel, das auch von der neuen Regierung in der
Koalitionsvereinbarung wieder politisch bestätigt wird - und enorme
Anstrengungen erfordert.

Gleichzeitig führt aber kein Weg daran vorbei, sich auf die nicht mehr
vermeidbaren Konsequenzen vorzubereiten und Anpassungsmaßnahmen zu
ergreifen. Dies gilt besonders zum Schutz der Ärmsten auf der Welt.
Viele Entwicklungsorganisationen sehen sich zunehmend der Situation
ausgesetzt, dass die Nothilfe bei Wetterkatastrophen einen immer
größeren Teil ihrer Ressourcen absorbiert. Dadurch fehlen Mittel, die
dringend benötigt würden, um die Armut in weiten Teilen der Welt zu
bekämpfen. Deswegen beginnen große Entwicklungsorganisationen zunehmend,
ein "klimapolitisches Bewusstsein" herauszubilden.

Ein eindrückliches Beispiel hierfür sind die Entwicklungen in
Großbritannien. Dort hat sich vor einiger Zeit eine Arbeitsgruppe
gebildet, die sich aus altbewährten klimapolitischen Organisationen auf
der einen Seite und weltweit agierenden Entwicklungshilfeorganisationen
auf der anderen Seite zusammensetzt. Beide Seiten profitieren von den
wechselseitig unterschiedlichen Erfahrungen und haben ihr Wissen und
ihre Kontakte unter anderem in zwei prägnanten Studien formuliert: "Up
in Smoke?" und "Africa - up in smoke?" fragen nach den
Lebensperspektiven unterschiedlichster Menschen und Bevölkerungsgruppen,
die angesichts eines sich dramatisch verändernden Weltklimas zunehmend
düsterer erscheinen. Nicht zuletzt bei den Aktionen zum G-8-Gipfel im
Juli im schottischen Gleneagles, der Afrika sowie den globalen
Klimawandel zum Schwerpunkt hatte, haben diese Organisationen
gleichzeitig eine aktivere Armutsbekämpfung und konsequenteren
Klimaschutz gefordert.

Auch in Deutschland beginnen Organisationen wie Brot für die Welt oder
die Deutsche Welthungerhilfe, sich zunehmend mit den Konsequenzen des
Klimawandels für ihre Hauptzielgruppe - die Ärmsten - und ihre tägliche
Arbeit auseinander zu setzen. Germanwatch bringt seine langjährigen
klima- und entwicklungspolitischen Erfahrungen in diese Debatte mit ein.
Nach wie vor besteht Armutsbekämpfung natürlich nicht nur oder auch nur
in erster Linie aus Klimapolitik. Ein verstärktes politisches Engagement
der Entwicklungsorganisationen in diesem Bereich sollte nicht dazu
führen, dass der Einsatz im Kampf gegen Unterernährung, Aids und Malaria
et cetera weniger nachdrücklich betrieben wird.

Dennoch ist ein stärkeres Engagement der Entwicklungsorganisationen in
der internationalen und nationalen Klimapolitik unbedingt wünschenswert.
Zum einen, um den politischen Druck für eine verantwortungsvolle
Klimapolitik zu erhöhen. Zum anderen kann auch die klimapolitische
Debatte enorm davon profitieren. Denn Organisationen mit Erfahrungen in
der Katastrophenvorsorge und der Nähe zu den Betroffenen können wichtige
Inputs geben, beispielsweise, wie die Anpassung der Entwicklungsländer
an den Klimawandel effektiv unterstützt werden kann. Denn auch umgekehrt
gilt: Armutsbekämpfung ist die beste Vorsorgestrategie gegen kommende
Extremereignisse.

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